„Alle diejenigen, die sich vollmundig zum Thema Anti-Doping äußern, sollten daran denken, dass die NADA mit den Mitteln, die sie derzeit zur Verfügung hat, nicht auskommen kann. Die finanzielle Förderung für den Leistungssport darf aber nicht darunter leiden. Es muss zusätzliches Geld in die Hand genommen werden,“ sagte Wienholtz bei einem Pressegespräch im Anschluss an die Tagung im Sport- und Bildungszentrum am 6./7. Juli zum Thema „Doping im Sport - Sport ohne Doping“, bei dem führende Experten auf dem Gebiet des Anti-Doping-Kampfes über Konzepte für die Präventionsarbeit sowie geeignete Sanktionsmaßnahmen diskutiert haben.
Der Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, Armin Baumert, muss derzeit mit einem Etat von 1,8 Millionen Euro auskommen. 2008 sei bereits eine Aufstockung um 2,8 Millionen Euro zugesichert, doch: „Unsere ökonomische Basis reicht nicht, um das Ziel einer massiven Ausweitung der Kontrollen zu erreichen.“ Auf fünf Millionen Euro bezifferte Baumert den notwendigen Finanzbedarf für die Erreichung dieses Ziels. Momentan stehen lediglich 500.000 Euro des Jahresetats für Kontrollen zur Verfügung. „Eine Ausweitung auf jährlich 4.500 Kontrollen von deutschen Kaderathleten wird angestrebt, das Geld reicht dafür aktuell bei weitem nicht, 2.000 Kontrollen sind bei der augenblicklichen materiellen und organisatorischen Ausstattung möglich“, so Baumert. Großspenden wie vom Team Telekom seien wichtig, „aber auch zusätzliche kleinere Summen helfen weiter“.
LSV setzt auf Prävention
Auf Prävention setzt der Landessportverband Schleswig-Holstein in seiner Zuständigkeit für die Leistungssportförderung jugendlicher Kader-Sportler. Eine immense Ausweitung der Doping-Kontrollen wird in diesem Bereich nicht favorisiert, dieses sei aus Kostengründen bei 2.000 Athletinnen und Athleten gar nicht möglich. Vielmehr müsse die Verankerung von Präventionskonzepten in die Trainerausbildung im Vordergrund stehen. Der LSV entwickele derzeit zusammen mit den Landessportbünden Nordhein-Westfalen, Niedersachsen sowie der Deutschen Sportjugend Module für die Aus- und Fortbildung. „Aber auch bei der Ausweitung unserer präventiven Arbeit werden wir angewiesen sein auf zusätzliche finanzielle Unterstützung des Landes. Die Leistungssportförderung darf nicht wegen der Erhöhung der Mittel für den Anti-Doping-Kampf gekürzt werden“, sagte LSV-Präsident Wienholtz.
Der Sportwissenschaftler Gerhard Treutlein (Pädagogische Hochschule Heidelberg) legte während seines Referates ein Konzept für die Präventionsarbeit im Nachwuchsbereich vor. Er warnte davor, einseitig Abschreckung oder auch moralisierende Belehrungen in den Vordergrund zu stellen. Die Persönlichkeitsentwicklung jugendlicher Spitzensportler müsse gestärkt werden, wichtig sei es, Netzwerke überzeugter Doping-Gegner unter Trainern und Eltern zu bilden. Treutlein äußerte sich skeptisch zur Weltrekordentwicklung speziell in der Leichtathletik. Auch fördere das Vollprofitum in vielen Sportarten eine Doping-Mentalität. NADA-Chef Baumert sagte, er glaube nach wie vor, dass Leistungen wie etwa zwei Meter im Hochsprung der Frauen oder acht Meter im Weitsprung der Männer sauber erzielt werden könnten. Wenn Sportler auf Welttournee trotz Jetlags in der Lage sein, in kurzer Reihenfolge Fabel-Resultate zu erreichen, dann allerdings nähre das den Doping-Verdacht.
Abkehr von einseitigem Leistungsdenken und psychologische Betreuung
Prof. Helmut Digel, (Uni Tübingen), Ex-DLV-Präsident, hatte am Eröffnungsabend in seinem Referat vor einer Kapitulation vor dem Doping gewarnt. Eine Freigabe des Dopings sei ethisch in keiner Weise verantwortbar und würde zu einem Chaos führen, so der Sportsoziologe. Vor dem aktuellen Hintergrund des Beginns der Tour de France plädierte der Jugendleiter des Radsportverbandes Schleswig-Holstein, Gert Hillringhaus, während einer Podiumsdiskussion am zweiten Veranstaltungstag für eine Abkehr vom einseitigen Leistungsgedanken in der Nachwuchsförderung, um der Dopingmentalität keinen Vorschub zu leisten. Hillringhaus stellte die Konzeption des Radsportteams Lübeck während der Tagung vor. Die Doppelolympiasiegerin im Rudern, Meike Evers aus Ratzeburg, Anti-Doping-Vertrauensfrau im DOSB, plädierte dafür, die Athleten besser psychologisch zu betreuen: „Hier haben wir noch Raum für Verbesserungen, manche Athleten sind nicht in der Lage, bis an ihr Limit zu gehen.“
Der Kieler Sportmediziner Dr. Burkhard Weisser, Anti-Doping-Beauftragter des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, zeigte sich optimistisch im Hinblick auf Fortschritte im Anti-Doping-Kampf. „Es hat noch etwas vom Wettlauf zwischen Hase und Igel, dennoch können wir sagen: Die Wissenschaft hat dramatisch aufgeholt.“ NADA-Chef Baumert ergänzte: „Auch wenn wir Doping nie werden völlig eindämmen können: Wenn es gelingt, die Angst in die Köpfe dopender Athleten zu bekommen, haben wir schon viel erreicht, denn dann werden sie Doping nicht mehr riskieren.“ LSV-Präsident Dr. Ekkehard Wienholtz zog am Ende des Symposiums zufrieden Bilanz. „Wir haben viel Anregungen und Zuspruch erfahren. Nun müssen wir die praktische Umsetzung voranbringen.“