DOSB PRESSE: Warum sollte der Bundestags-Sportausschuss eigentlich nur eine kurze Episode sein?
TILLMANN: Es stimmt, ursprünglich sollte der Ausschuss nicht auf Dauer eingerichtet werden. Vorrangig ging es darum, das Engagement des Bundes, insbesondere den Einsatz von Finanzmitteln, für die Olympischen Sommerspiele 1972 parlamentarisch zu begleiten. Dieser Auftrag wäre spätestens nach den Spielen erledigt gewesen. Außerdem schauten die Länder mit Argusaugen auf den Ausschuss. Bei ihnen herrschte zu Recht die Auffassung, dass Kultur und Sport Ländersache ist und der Bund sich dort herauszuhalten hatte. Das ist im Prinzip bis heute so geblieben. Eine längerfristige Perspektive eröffnete sich dem Sportausschuss erst nach den Bundestagswahlen im November 1972.
DOSB PRESSE: Worin bestand der besondere Wert dieses Gremiums?
TILLMANN: Der Bund hatte Geschmack am Spitzensport gefunden. Auf Bundesebene setzte sich eine Art verfassungsrechtliche Kompetenz für diese Aufgabe durch, die von den Ländern akzeptiert wurde. Während sie weiterhin für den Nachwuchs- und den Breitensport verantwortlich zeichneten, sollte der Bund den Hochleistungssport fördern. So ist es ja bis heute, der Etat für den Leistungssport ist nach wie vor beim Bundesinnenministerium angesiedelt. Als positive Begleiterscheinung für dieses Modell kam damals noch der Rückenwind von den Olympischen Spielen in München hinzu.
DOSB PRESSE: Sie haben dem Sportausschuss von 1972 bis 1980 als Mitglied angehört und ihn von 1980 bis 1994 geleitet. Rückblickend haben Sie das Klima mit dem Wort „Sportkamerad-schaft“ beschrieben. War das eine Besonderheit im politischen Alltag?
TILLMANN: Der Ausschuss wurde oft als „Fraktion Sport“ bezeichnet, was allein schon das besondere Verhältnis zwischen den Mitgliedern ausdrückt. Im Grunde genommen haben wir uns über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg gut verstanden. Schließlich lagen uns gemeinsam die nationalen Erfolge des deutschen Sports am Herzen und man kann das Ergebnis eines Handballspiels oder eines leichtathletischen Wettbewerbs schlecht parteipolitisch interpretieren. Trotzdem ist die Partei- oder Fraktionspolitik nicht immer außen vor geblieben. Der Spitzensport eröffnet natürlich auch die Gelegenheiten, sich zu profilieren und Erfolge auf die eigenen Mühlen zu leiten.
DOSB PRESSE: Für Sie persönlich ist die Verabschiedung des Vereinsförderungsgesetzes 1989 eines der Highlights der parlamentarischen Arbeit im Sportausschuss gewesen. Warum?
TILLMANN: Im Vorfeld hatte es viele Widerstände gegeben. Es ging dabei zum Beispiel um Pauschalen für Übungsleiter oder Freibeträge für Zweckbetriebe und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von Vereinen. Also hat der Finanzminister riesige Steuerausfälle befürchtet. Vor diesem Hintergrund war es ein großer Erfolg, dass wir dieses Gesetz trotzdem durchsetzen konnten. Nach der der Debatte zur 2. und 3. Lesung des Gesetzes, das eigentlich am 9. Novem-ber 1989 hätte verabschiedet werden sollen, mussten wir allerdings noch einige Wochen zittern. Nachdem an dem Tag die Mauer fiel, hatte die amtierende Bundestagspräsidentin Annemarie Renger die Debatte abgebrochen und vorzeitig beendet.
DOSB PRESSE: Wann ist es unter Ihrem Vorsitz einmal besonders hoch her gegangen?
TILMANN: Das war im Jahr 1991, als wir dem organisierten Sport gegenüber deutlich klar gemacht haben, dass, wenn wir ihm das Geld des Steuerzahlers geben, wir auf der anderen Seite einen sauberen und ehrlichen Sport erwarten. Als die Fachverbände nicht so richtig aus den Latschen kamen und sich mit ihren Anti-Doping-Erklärungen Zeit ließen, haben wir die Geduld verloren und wollten sie ein bisschen wachrütteln. Wir hatten eine Teilsperre der Fördermittel für die so genannten zentralen Maßnahmen für den Spitzensport verhängt. Da ging es hoch her, an die Schreiben des DSB-Präsidiums und an die Reaktion des damaligen DSB-Vize-Präsidenten Manfred von Richthofen kann ich mich noch gut erinnern. Doch wie gesagt, das Problem lag weniger beim DSB als bei den Fachverbänden.
DOSB PRESSE: Wie blicken Sie heute auf die Arbeit Ihrer Nachfahren?
TILLMANN: Diese Aufgabe ist meines Erachtens jetzt noch interessanter geworden. Der Ausschuss hat noch mehr an Statur gewonnen und wird beispielsweise von der Öffentlichkeit und den Medien anders wahr genommen als zu meiner Zeit. Wir hatten stets das Selbst-verständnis, als der politisch-parlamentarische Zweig des Leistungssports zu agieren. Der Sport nimmt für sich in Anspruch, staatsunabhängig zu sein. Dort wird dann schon mal sensibel reagiert und manches aus dem Sportausschuss als Einmischung aufgefasst. Ich glaube, dieses Spannungsfeld gibt es unverändert.