Eine Polizeikontrolle und ein platter Fahrradreifen als Meilensteine

Bei Sportabzeichen-Pionier Heinz Otten lief nicht immer alles rund

Sommer 1953, Heinz Otten springt mit der Bambusstange 3,05 Meter (Quelle: Heinz Otten)
Sommer 1953, Heinz Otten springt mit der Bambusstange 3,05 Meter (Quelle: Heinz Otten)

In den Nachkriegsjahren war auch im Sport Improvisation gefragt. Als Heinz Otten aus Bremen 1951 dem TSV Osterholz-Tenever e.V. beitrat, waren die Trainingsbedingungen mehr als dürftig. Der damals 19-Jährige ließ sich davon aber nicht abschrecken. Heinz Otten besorgte von einer benachbarten Baustelle Fertigbeton und so entstand der Kugelstoß-Ring.

Einfallsreich waren die Jungs beim TSV auch an der Stabhochsprung-Anlage. „Weil wir keine ausreichend hohen Ständer hatten, musste eine Konstruktion aus Fahrradanhängern herhalten, auf der Werkstatt-Holzböcke mit den normalen Hochsprungständern obendrauf standen“, erinnert sich Heinz Otten. „Daneben musste jeweils einer von uns Wache stehen und das Ganze festhalten, damit dem Springer die Ständer nicht ins Kreuz kippten, wenn er die Latte riss. Und die Landezone bestand nicht aus weichen Matten, sondern aus Sand. Man musste sich also während des Anlaufs entscheiden, ob man springt und es schafft, auf den Beinen zu landen.“

Mit dem Stabhochsprung war Heinz Otten auch außerhalb der Sportabzeichen- Disziplinen erfolgreich. 3,05 Meter war seine Bestmarke. Und das nicht etwa mit den heute gängigen Glasfaser-Sprungstäben. Damals sprang Heinz Otten mit einem vier Meter langen Bambusstab. Ganz besonders gern erinnert er sich dabei an den 16. Juni 1953. „Zu einem Abendsportfest im Bremer Weserstadion mussten wir unsere eigenen Sprungstäbe mitbringen. Da ich keine andere Wahl hatte, verzurrte ich den vier Meter langen Stab an meinem Fahrrad und fuhr so sieben Kilometer quer durch die Stadt. An die Enden hatte ich rote Fahnen geknotet“, lacht der 78-Jährige. „Das wäre heute gar nicht möglich, bei dem Verkehr.“

Allerdings wäre das Ende dieser Geschichte wohl heutzutage auch anders ausgegangen. „Auf dem Heimweg wurde ich von einem Polizisten angehalten“, erzählt Heinz Otten. „Als ich ihm schilderte, warum ich mit meiner Bambusstange unterwegs war, hatte er aber Verständnis. Er sagte dann, ich solle das Rad aber schieben. Das habe ich dann auch gemacht. Zumindest bis der Polizist außer Sicht war.“

„Wer Freude am Sport hat, erreicht auch Höchstleistungen“

Neben dem Hochsprung reizten Heinz Otten Schwimmen, Rettungsschwimmen, Kunstradfahren, Sprint, Weitsprung und vor allem der Mehrkampf. Neben diversen Trophäen von Wettkämpfen und Sportfesten hat der gelernte Fernmelde-Techniker eine Medaille im Schrank, auf die er ganz besonders stolz ist: das Goldene Sportabzeichen mit der Zahl 60. 1950 legte Heinz Otten das Bundesjugendsportabzeichen in Silber ab. Seitdem macht er jährlich die Prüfungen – ohne Unterbrechung. Und auch unter widrigen Umständen lieferte er Bestleistungen ab.

Wie im Sommer 1960, als ihm beim 20-Kilometer-Radfahren für das Sportabzeichen der Schlauch im Hinterrad platzte. „Es knallte bei der 13-Kilometer-Marke und ich legte die restlichen sieben Kilometer mit einem platten Hinterreifen zurück. Ich war im Ziel zwar halb tot, blieb aber trotzdem mit 39,30 Minuten unter der Sollzeit von 45 Minuten“, freut sich Heinz Otten noch heute. „Es gibt im Sport nur zwei Möglichkeiten: Aufgeben oder Durchhalten. Ich habe mich immer fürs Durchhalten entschieden. Das ist die Freude am Sport“, resümiert der 78-Jährige. „Wenn man Freude daran hat, erreicht man auch Höchstleistungen.“ Diese Einstellung hat sich Heinz Otten aus Bremen bis heute bewahrt. Neben dem eigenen Training gibt er sein Wissen und seine Fähigkeiten als Trainer im Kugelstoßen und Schleuderball an Jüngere weiter.

Im Oktober 2010 berichtete der Weser Kurier über das sportliche Schaffen von Heinz Otten. Anlass war sein 78. Geburtstag und die Sportabzeichen-Auszeichnung Gold 60. Damals sagte Heinz Otten dem Reporter, er wolle im Frühjahr darüber entscheiden, ob er sich den Anforderungen des Sportabzeichens nochmals stellt.
Das Frühjahr ist jetzt da und die Entscheidung gefallen. „Es ist in der Planung“, sagt Heinz Otten. Er erfreut sich bester Gesundheit und bereitet sich auf sein 61. Sportabzeichen vor.


  • Sommer 1953, Heinz Otten springt mit der Bambusstange 3,05 Meter (Quelle: Heinz Otten)
    Sommer 1953, Heinz Otten springt mit der Bambusstange 3,05 Meter (Quelle: Heinz Otten)
  • Sommer 1953, Heinz Otten beim klassischen Scherensprung 1,68 Meter (Quelle: Heinz Otten)
    Sommer 1953, Heinz Otten beim klassischen Scherensprung 1,68 Meter (Quelle: Heinz Otten)
  • Heinz Otten im September 2010 beim Kugelstossen (Quelle: Heinz Otten)
    Heinz Otten im September 2010 beim Kugelstossen (Quelle: Heinz Otten)
  • Heinz Ottens erstes Sportabzeichen aus dem Jahr 1950 (Quelle: Heinz Otten)
    Heinz Ottens erstes Sportabzeichen aus dem Jahr 1950 (Quelle: Heinz Otten)