Olympia-Erfolge im Winter auch ein Triumph der Technik

Für Professor Helmut Digel ist das Abschneiden der deutschen Wintersportler keine Überraschung, sondern beruht auf der Überlegenheit im Materialbereich gegenüber anderen Ländern.

„Deutschland ist die Wintersportnation Nummer eins in der Welt, das hat sich bei allen Weltmeisterschaften abgezeichnet. Diese Position kann man angesichts der Investitionen, die man in die Wintersportarten in Deutschland tätigt, in den nächsten Jahren halten“, erklärte der Tübinger Sportsoziologe im Deutschlandfunk.

 

"Medaillen der Ingenieure"

Die Investitionen in die deutschen Medaillen sind sehr hoch, allein ein Bob von André Lange kostet etwa 100.000 Euro. „Wir sind in der Tat einmalig in bezug auf den Wintersport. Wir haben dieses eigene Institut, das die Technik im Sinne einer Geheimforschung für die Athleten vorbereitet. Unsere Sportler können auf das beste Material zurückgreifen, deshalb sind die Medaillen, die hier errungen werden, immer auch Medaillen der Ingenieure“, meint das NOK-Ehrenmitglied Digel. Dies widerspreche in gewisser Weise den Prinzipien des Fair Play, denn dieser Technologievorsprung sei letztlich ausschlaggebend für den großen Erfolg Deutschlands bei den Winterspielen. Diese Materialüberlegenheit sei gegenüber der dritten Welt durchaus ein Problem, das im Wintersport gravierender sei als in den Sommerdisziplinen.

 

Olympische Sommerspiele haben eine eigene Qualität

Deswegen erwartet der Sportsoziologe von den Sommersportlern bei Olympia 2008 in Peking keine vergleichbaren Erfolge, aber auch aus einem anderen Grund. „Olympische Sommerspiele haben eine eigene Qualität. Bei den Winterspielen dominieren 20 Nationen das Leistungsgefüge in der Welt. Doch Sommer gibt es in allen Ländern der Welt, alle Nationen können an Sommerspielen teilnehmen, das sind bis zu 200 teilnehmende Länder pro Sportart.“ Die Zentralisierung im Wintersport hätte jedoch Vorbildcharakter, so zum Beispiel  die Leistungssportsteuerung des Deutschen Ski-Verband (DSV).

 

Georg Hettich, ein klassisches Produkt der Talentförderung

Der DSV führe seine Athleten konsequent über Jahre hinweg zu olympischen Spitzenleistungen hin. „Nirgendwo wird das Modell der Eliteschule so konsequent angewendet. Denken Sie an Georg Hettich, er ist ein klassisches Produkt unserer Talentförderung.“ Hier werde schon auf sehr beispielhafte Weise aufgezeigt, wie man mit einer gezielten Leistungsdiagnostik, einer trainingswissenschaftlichen Betreuung und einer umfassenden physiotherapeutischen und sportmedizinischen Betreuung Weltspitze erreichen und Weltspitze halten kann. Auch Russen, Amerikaner und Skandinavier würden in den olympischen Disziplinen diesen Weg gehen.

 

Eigenständiger Weg für die Sommerdisziplinen

Für die Sommerdisziplinen sei das aber nicht in dieser Form übertragbar. „Viele Sportarten sind in das Vereinswesen eingebunden, das gilt für den Wintersport nur ganz bedingt. Eine Identifikation mit der Basisstruktur des deutschen Sports, dem Verein, findet im Wintersport gar nicht statt. Hier sind es wenige Zentren,  eigentlich nur drei Orte, die den Wintersport heute im wesentlichen prägen.“ Insofern müsse für die olympischen Sommer-Sportarten ein ganz eigenständiger Weg gefunden werden, wenn man international konkurrenzfähig bleiben möchte. Aber Modelle wie die vorbildliche Athletenbetreuung und die Steuerung des Sportlers auf den Saisonhöhepunkt hin sollten übernommen werden.