Das Unternehmen berät in Marketingfragen, führt aber auch Coaching für Führungskräfte durch und kennt die Spezifika für die Zusammenschlüsse von Verbänden sehr gut.
Die beiden Dachorganisationen des Deutschen Sports, der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee für Deutschland, fusionieren am 20. Mai in Frankfurt zum Deutschen Olympischen Sportbund. Worin liegt aus Ihrer Sicht das Besondere bei einer solchen Fusion?
Charles Giroud: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass zwei so grosse und wichtige Organisationen und ihre verantwortlichen Führungspersonen zusammenfinden. Damit ist auch schon etwas über die Besonderheit dieses Zusammenschlusses gesagt. Diese liegt zweifellos darin, dass die verantwortlichen Führungspersonen rechtzeitig den Bedarf erkannt haben und ihr Handeln konsequent daran ausgerichtet haben. Gerade in Verbänden und Nonprofit-Organisationen, wo nicht Marktkräfte solche Entscheidungen massgeblich beeinflussen, ist dies keine Selbstverständlichkeit.
Kann man von einer Fusion oder einem Zusammenschluss sprechen? Und was ist überhaupt der Unterschied?
Charles Giroud: Zu Beginn solcher Projekte ist dies tatsächlich immer eine der ersten Fragen überhaupt. Dabei geht es weniger darum, welche sachlichen Unterschiede damit verbunden werden, als darum, welche psychologische Wirkung sie haben.
Sachlich besteht für mich zwischen Fusion und Zusammenschluss kein Unterschied. Psychologisch verbinden die Betroffenen mit Zusammenschluss oft „wir schaffen zusammen etwas Neues“, während der Fusionsbegriff spontan mit der Frage verbunden wird „wer übernimmt (frisst) wen“? Dies erklärt wohl auch die Sympathie für „Zusammenschluss“ und die Ablehnung von „Fusion“.
Worin liegen die Schwierigkeiten bei der Fusion zweier „Nonprofit-Unternehmen“?
Charles Giroud: Die besonderen Schwierigkeiten bei der Fusion von zwei Nonprofit-Organisationen liegen in verschiedenen Bereichen. Zunächst geht es darum, dass auch in der neuen Organisation die Interessen der Mitglieder der beiden bisherigen Organisationen entsprechend berücksichtigt werden. Aus meiner Erfahrung in der Beratung von Sportverbänden könnte gerade im Falle des neuen Deutschen Olympischen Verbandes die Thematik der Berücksichtigung und Einordnung der Olympischen und der Nichtolympischen Sportverbände eine dieser Fragen darstellen (alle "Betroffenen" auch am Prozess beteiligen).
Darüber hinaus ist ein Hauptthema immer die Struktur. Obwohl auch aus meiner Sicht die Struktur ein Arbeitsinstrument ist, spielen dort Fragen der Vertretungsmöglichkeiten, der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten und schliesslich der Macht der einzelnen Mitgliedsorganisationen eine zentrale Rolle. Diese Anliegen zur Zufriedenheit aller zu erfüllen und dabei nicht die Effizienz und Handlungsfähigkeit in Frage zu stellen, ist eine der grössten Herausforderungen.
Schliesslich möchte ich als letzten Punkt auch das Verschmelzen der operativen Strukturen, also der Geschäftsstellen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwähnen. Auf dieser Ebene werden zwei oft vollständige Strukturen/Kulturen zu einer einzigen Struktur/Kultur zusammen geführt, was zur Folge hat, dass für die gleichen / ähnlichen Positionen jeweils zwei Stelleninhaber / Stelleninhaberinnen da sind. Diese Situationen sind im Hinblick auf eine konstruktive Zusammenarbeit in der Zukunft schnell und mit Kreativität und Flexibilität zu beantworten.
Eine weitere Hauptschwierigkeit auf dem Weg zu einer gemeinsamen Zukunft von zwei Verbänden ist schliesslich die Gestaltung des Fusionsprozesses. Er muss zentral gesteuert und mit der entsprechenden, koordinierten Kommunikation begleitet werden. Er muss in gewissen Momenten beschleunigt, in anderen Phasen aber auch wieder verlangsamt werden, damit alle gemeinsam am Ziel ankommen können.
Was steht zuerst, die Strategie einer neuen Organisation, d.h. wo will sie hin, oder die Struktur? Und stellt dieser Weg den Idealfall dar?
Charles Giroud: Ihre Fragestellung nimmt schon ein Stück der Antwort vorweg. Andererseits habe ich schon zuvor erklärt, wie wichtig gerade bei Fusionen die Strukturfragen sind. Es ist klar: Strategie muss vor der Struktur beantwortet werden. Die Realität zeigt aber immer wieder, dass das Interesse für die Strategie im Zeitpunkt einer Fusion nur sehr bedingt vorhanden ist und dass die Strukturfragen aus den erwähnten Gründen einen viel grösseren Raum einnehmen und die Diskussion nachhaltig prägen.
Im Idealfall muss es gelingen, die Eckpfeiler der Strategie zu definieren, bevor über Strukturen diskutiert wird. Nach der Fusion sollte dann das latent vorhandene Strategiedefizit – ohne Seitenblick Struktur – aufgearbeitet werden.
Wann wird denn die Fusion verwirklicht sein und in welchem Zeitrahmen?
Charles Giroud: De jure ist die Fusion mit dem 20. Mai beschlossene Sache. De facto wird dies noch einige Zeit dauern. Es gibt Organisationen, insbesondere auch in der Wirtschaft, die noch nach 10 Jahren von verschiedenen Kulturen sprechen. Insofern ist ein fixer Zeithorizont nicht zu benennen. Daraus ist aber auch zu entnehmen, dass die Aufgabe, die Fusion umzusetzen, ebenso schwierig ist, wie sie de jure zu realisieren.
Umsetzung heisst dann konkret die Organe, insbesondere auch die Fachorgane zu besetzen, die Reglemente zu erstellen und die Strukturen und die personelle Besetzung der Geschäftsstelle festzulegen.
Nicht selten folgt in einem zeitlichen Abstand von einigen wenigen Jahren eine Reorganisation nach der Fusion. Oft werden um der Fusion willen Kompromisse eingegangen, die sich im Nachhinein als ineffizient erweisen. Darüber hinaus liegen erste Erfahrungen vor, die ausgewertet und ebenfalls in eine solche Reorganisation einfliessen sollten.
Welche Bedeutung für den Fortgang der Fusion nimmt die Kommunikation ein, sowohl die interne in den Verband hinein als auch die externe an die Öffentlichkeit?
Charles Giroud: Kommunikation - nach innen und nach aussen – ist auf dem Weg zur Fusion sehr wichtig, sie ist aber auch nach der Fusion sehr wichtig. Aufgrund der Tatsache, dass der Deutsche Olympische Sportverband eine der grossen, nationalen Organisationen sein wird und die Fusion zweifellos medienmässig dokumentiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass nach aussen die Fusion und damit der neue Name und das Erscheinungsbild relativ schnell bekannt und das Wissen darüber in der Öffentlichkeit bald verbreitet sein werden.
Allerdings wird es wichtig sein, auch in Zukunft die Öffentlichkeit über Ergebnisse zu informieren, die Fortschritte und Erfolg zu dokumentieren, weil natürlich die Presse auch ein kritisches Auge auf die neue Organisation richten wird. Kritisch im Sinne, was hat es gebracht, ist die Effizienz und die Wirksamkeit, sprich sind die sportlichen Erfolge dadurch besser geworden.
Nach innen wird die Kommunikation meiner Auffassung noch wichtiger werden, weil dadurch auch das Verschmelzen der beiden bisherigen Kulturen unterstützt werden kann und die Ausrichtung der Mitarbeitenden an den Zielen der neuen Organisation und an den neuen Strukturen erfolgen muss. Dies umso mehr, als auch der Deutsche Olympische Sportverband eine dezentrale Organisation ist und es nach der Fusion auch darum geht, die Landessportbünde mit ihren Vorort-Strukturen auf die neue Organisation zu verpflichten.
Bestehen Gefahren durch eine finanzielle Anschubfinanzierung aus öffentlicher Hand?
Charles Giroud: Wie heisst es doch so schön: „Wer zahlt, befiehlt“. Das gilt auch bei Fusionen von Verbänden. Bei einer Anschubfinanzierung durch die Öffentliche Hand gilt sicher ähnliches, allerdings gehe ich davon aus, dass diese im Sinne einer Vereinbarung an klar definierte Rahmenbedingungen geknüpft ist. So gesehen dürften die möglichen Gefahren als vergleichsweise klein bezeichnet werden.